Herbert Lauermann

Ewig lockt »Durch Nacht zum Licht«

15. März 1996

Der Komponist im Gespräch vor der Erstaufführung seiner Bachmann-Vertonung Verbum IV

Herbert Lauermann, niederösterreichischer Komponist, hat ein neues Orchesterwerk über ein altes Thema geschrieben. Wladimir Fedosejew bringt es im Musikverein zur Uraufführung.

Gehört hat Herbert Lauermann sein Opus bereits: Das ORF-Orchester hob "Verbum IV" bereits Ende des Vorjahres im Studio aus der Taufe: Claudius Traunfellner dirigierte eine Rundfunkproduktion des Werkes. Dabei entstand sogar eine neue künstlerische Verbindung: Für Traunfellners Kammerphilharmonie komponiert Lauermann ein Stück, das demnächst uraufgeführt werden soll.

"Verbum IV" kommt also gründlich vorbereitet aufs Musikvereinspodium, wenn Wladimir Fedosejew heute die Uraufführung dirigieren wird, eingebettet zwischen Mahlers "Lieder eines fahrenden Gesellen" und Dvoraks stürmischer Siebenten Symphonie. Gegen solch "dunkle" Welten soll sich, wenn es nach dem Willen des Schöpfers geht, die Novität durch strahlenden Glanz abheben.

Lauermann, ein stiller, vielleicht aber gerade deshalb konsequent im österreichischen Musikleben präsenter Komponist (Jahrgang 1955) verwendet das Gedicht "An die Sonne" aus Ingeborg Bachmanns Lyrikband "Anrufung des großen Bären" als Vorlage und Inspirationsquelle.

Lauermann: "Ich habe versucht, den phonetischen Gehalt des Gedichts in Klang zu verwandeln: Hier herrschen Sonnenglanz, strahlende Helle. Der erste Abschnitt der Komposition versucht das widerzuspiegeln. Konsequenter Weise verzichte ich auf die tiefen Orchesterinstrumente, keine Kontrabässe, keine Tuba, nur eine Posaune. Im Mittelteil finden auch die dunklen Farben ihre Umsetzung, von da an strebt alles einer immer intensiver werdenden Helligkeit zu."

Ein "Sieg der Sonne über das Dunkel der Nacht" ist das Motto und Lauermann zitiert die logische Assoziation jedes Musikfreundes, die oft gebrauchte Deutung von Beethovens Fünfter Symphonie - "durch Nacht zum Licht" -, vorsichtshalber gleich selbst. Wenn auch sein Stück nichts mit solchen symphonischen Welten zu tun hat, eher vielleicht mit denen romantischer symphonischer Dichtungen.

Allerdings sind, abgesehen von manchen Werken Olivier Messiaens und Alexander Skrjabins "Poeme de l'extase", in der jüngeren Musikgeschichte solche Versuche mit "positiven" strahlenden Klängen rar. Insofern ist Lauermanns Versuch ein "Pilotprojekt". Vor solchen scheut der als Wiener Hochschulprofessor wirkende Komponist nicht zurück.

Auch sein bisher spektakulärster Musiktheater-Versuch war aufsehenerregend: "Kar" wurde vor drei Jahren in der Staumauer am Reißeck uraufgeführt. Lauermanns erfolgreichste Oper, "Das Ehepaar" nach einer Novelle von Francisco Tanzer, wird übrigens heuer noch als Koproduktion mit dem Kärntner Landestheater in der Dresdner Semperoper zu sehen sein.

Aus der Rezension von Verbum IV
18. März 1996
Musik, die strahlt, Musik, die von blendendem Glanz sein soll, vor allem von hohen Streichern, massiven Bläserklängen und Tönen metallischer Schlaginstrumente erzeugt - inspiriert von einem Gedicht Ingeborg Bachmanns komponierte der Niederösterreicher Herbert Lauermann ein etwa viertelstündiges Orchesterwerk, das mit entsprechendem Effekt anhebt, dann in sich zusammensinkt, um sich sukzessive zu immer intensiverer musikalischer Helligkeit zu entfalten.

Das wirkt, wenn die Musiker so effektvoll vorgehen wie unter Fedosejews Leitung, wenn sie die immer wieder eingestreuten diatonischen Melismen durch feine Nuancen mit Leben erfüllen. Manche Passage des Werkes, vor allem jene, wo sich gegen Schluß aus einer Linie heraus in immer dichter werdendem Zerfall eine beeindruckende Klangkaskade bildet, bleibt im Gedächtnis; und läßt auf dauerhafte Wirkung hoffen: "Verbum IV" sollte bald wieder zur Diskussion gestellt werden.
 

↑DA CAPO